«Selbsanft» – Isabel Morf las in Glarus

 

Isabel Morf, Krimiautorin, gastierte auf Einladung von «Kulturzyt» in der Buchhandlung Baeschlin, Glarus. Sie las aus ihrem neuesten Kriminalroman «Selbsanft», dessen Inhalte stark mit dem Glarnerland zu tun haben. Andri Zubler, Mitglied von «Kulturzyt», moderierte.

 

Von: Peter Meier

 

Mo. 18. Sep. 2017 – 05:20

 

Isabel Morf, 1957 geboren, hat durch ihre Jugendjahre, die sie zum Teil in Linthal verbrachte, einen gewissen Bezug zum Glarnerland. Heute lebt sie in Zürich und hat – gemäss Auskunft auf eine der Fragen vonseiten des moderierenden Andri Zubler – das Privileg, immer das zu tun, was ihr zusagt. Darunter zu verstehen sind die Teilzeitarbeit als Protokollführerin und Online-Redaktorin für das Bundesparlament, die ehemalige Arbeit als freie Journalistin und das Verfassen von Kriminalromanen. «Selbsanft» ist das 6. Buch dieser Art. Die fünf ersten Inhalte sind der zürcherischen Szene zuzuordnen – wobei auch die Geschehnisse in «Selbsanft» aus einer anderen Gegend stammen könnten. Das Glarnerland ist Schauplatz der Geschehnisse, die Morf detailverliebt, minuziös gliedernd und mit starkem Hang zum Charakterisieren der Beteiligten aneinanderreiht. Damit fehlt für die Lesenden die zuweilen spannende Gelegenheit, bei der Lektüre eigene Vermutungen einzuflechten.

Am Fusse des «Selbsanft», genauer in der Gartenwirtschaft des Hotels Tödi im Tierfehd, entdeckt Valerie Gut die Leiche von Matthias Freytag. Er ist 52 Jahre alt, war als Bibliothekar in Glarus tätig, hat als Folge eines ärztlichen Kunstfehlers im Spital seine Frau verloren. Er starb an den Folgen von übermässigem Alkoholgenuss. Der Glarner Träsch war mit Rohypnol, einem starken Schlafmittel, versetzt. Diese Kombination führte zum Tod. Freytag hat den Tod seiner Frau nie verarbeitet. Er lebt bei seinem Bruder in Ziegelbrücke. Eine weitere Hauptfigur ist die am Kantonsspital tätige Ärztin Doro Schuler, von ihrem Mann getrennt. Der ist Chefarzt am Spital Aarau. Drei Tage nach Freytags Tod, ob es sich um Suizid oder Mord handelt, wird auch Doro Schuler tot aufgefunden. Todesursache ist eine Pilzvergiftung. Melchior Zwicky, stets Melch genannt, ist ein junger Beamter, der bei der Glarner Kripo tätig ist, zäh und beharrlich, wie es sich für einen zünftigen Kriminalisten gebührt. Er arbeitet beim langwierigen Aufklärungsprozess praktisch im Alleingang – mit Ausnahme der sich intensivierenden Kontakte zu seinem ehemaligen Chef Beat Streiff, der an den Folgen des Entfernens eines gutartigen Hirntumors leidet, abgetaucht und kaum erreichbar ist und auf berechtigte Heilung hofft.

Ein wahres Geflecht von Involvierten und deren ganz persönliche Geschichten sind seitenfüllend. Isabel Morf bezieht eine überbordende Zahl von Fakten mit ein. Tatsachen, die Alltägliches, zwischenmenschlich Gewohntes übersteigen und das Erkennen der Zusammenhänge erschweren. Man wird auf Pfade entführt, die vom eigentlichen Schwerpunkt des Geschehens weit, zuweilen sehr weit entfernt sind. Als Beispiele seien der sprachwütige, verbissen Lernende Matthias Freytag mit Ukrainisch, Iwrit, Swahili, Lettisch, Japanisch, Maltesisch, Türkisch und anderem, das Führen eines Tagebuchs in kyrillischer Schrift die Art der rumschnüffelnden Übersetzerin oder das ihr Umfeld sehr verletzende Auftreten der Doro Schuler, die Kontaktaufnahmen und Mailwechsel zwischen den beiden Kriminalisten, die nachgezeichneten Geschichten von Befragten und urchige Antworten auf viele polizeiliche Fragen aufgeführt.

So fliesst das Geschehen dahin, einmal als grosse, erdrückende Wassermenge, dann wieder portioniert, in Rinnsalen. Es ist eine Flut an Ereignissen, die selbstverständlich zur Lösung dieser verzwickten Ausgangssituation führt, dies nach etwas mehr als 240 Romanseiten. Man erfährt damit, was die beiden Toten miteinander überhaupt zu tun haben, was in der Vergangenheit geschah, wer zum Kreis der Befragten zählt. Unbeantwortet bleibt beispielsweise, weshalb der Kunstfehler der Ärztin im Spital nie genauer aufgeklärt wurde, weshalb deren inakzeptables Verhalten gegenüber ihren Mitarbeitenden über Jahre hinweg nie sanktioniert wurde. Die Zahl der Nebenschauplätze in diesem Geflecht von Ereignissen ist riesig, erfordert von den Lesenden einiges Geschick, um Hauptsächliches mehr oder weniger zielführend erfassen zu können.

Aus Fragen vonseiten des moderierenden Andri Zubler und des Publikums ergab sich beispielsweise, dass dies Morfs 6. Roman ist, dass die Romanfiguren immer mit Namen glarnerischer Provenienz auftreten oder dass das Verfassen eines Romans mindestens neun Monate dauere, die Autorin mit Beginn des Schreibens ein Konzept in sich trage, das zielorientiert sei. Stets lege die Autorin dem Verlagsverantwortlichen das fertige Manuskript vor; dann beginne die Zusammenarbeit mit dem Lektorat. Morf bekannte sich zum Verfassen «altmodischer» Krimis, ohne brutale, rohe Gewalt und technische Raffinessen. Selber liest sie liebend gerne Bücher nordländischer Krimiautoren.

Apéro, Verweilen und Gespräche waren Abschluss der recht gut besuchten Veranstaltung.